1) Die Nacht von Samstag auf Sonntag ist (zu) laut.
Es nähert sich kein Sonntag ohne ausschweifende Parties in der Nacht. Und zwar in der ganzen Nacht, die erst mit der Morgendämmerung endet. Eigentlich, ja eigentlich gibt es ein Gesetz gegen noise pollution, das die nächtliche Ruhestörung eindämmen soll. Aber die Seychellois wären ja nicht die Seychellois, wenn sie nicht längst einen Weg gefunden hätten, dieses Gesetz einfach auszuhebeln. Die Sache ist ganz einfach: Wer länger laute Musik machen will (allein schon „länger“ ist ein dehnbarer Begriff, setzen wir hierfür mal länger als 23.00 Uhr an), braucht eine Genehmigung. Die kriegt er in der Regel auch bei der zuständigen Polizeiwache, z.B. bis um 1.30 Uhr. Doch warum aufhören, wenn es am schönsten ist? Dann „kauft“ man sich eben eine Verlängerung für die Verlängerung. Und schwuppdiwupp sind die alten Sitten wieder da – Musik bis morgens um halb sechs.
2) Es riecht morgens um halb sechs nicht nach gebackenen Bohnen und Eiern mit Speck.
Ein untrügliches Zeichen, an dem man erkennt, dass es unter der Woche ist, sind verlockende Essensdüfte zu nachtschlafender Zeit. Da der Alltag auf den Inseln in der Regel sehr früh beginnt, nämlich dann wenn es noch schön kühl ist, wird auch entsprechend früh gefrühstückt. Und das bitte schön deftig: Da gibt vor allem alle Arten von Eierspeisen, voran ein klassisches Omelette, dann das (Spiegel)Ei sunny side up, gern begleitet von baked beans.
Und dazu ein paar Scheiben Toast, die gern auch mal deftig verbrannten Gestank verbreiten, weil der Thermostat vom Toaster hin ist. – All diese Wohlgerüche bleiben am Sonntag aus, denn man schläft ja wegen der unter Punkt 1 genannten Gründen länger.
3) Um 6.30 kreischen heftig die Motorsägen.
Auch wenn der Rausch der vergangenen Nacht noch nicht im Ansatz richtig ausgeschlafen ist, es gibt eine kurze Unterbrechung der Bettruhe. Jeden Sonntag – wohlgemerkt: JEDEN Sonntag!!! – wird an irgendeiner Ecke der Insel mal eben kurz nach Tagesanbruch die Motorsäge angeworfen, um irgendeinen unliebsamen Baum zu fällen. Das könnte man zwar auch unter der Woche machen, aber dann würde man ja für größere Rodungsaktionen eine Genehmigung benötigen, und die dauert, die kostet, die wird nicht bewilligt. Am Sonntag morgen schlafen aber nicht nur die Nachbarn, die einen anzeigen könnten, sehr tief (siehe Punkt 1), sondern auch die Behörden. Nach der Devise: „Wo kein Kläger, da kein Richter“, wird in Windeseile Hand angelegt, die Motorsäge brüllt nur ganz kurz, für wenige Minuten, dann sind Fakten geschaffen und dann heißt es weiterschlafen. Niemand war’s gewesen, niemand hat was gesehen…
4) Inder mit langärmeligen Hemden machen Männerspaziergänge
Wer als Tourist auf den Seychellen unterwegs ist, merkt sehr schnell an den zahlreichen Strandgelagen der Einheimischen nebst ihrer musikalischen Dauerbeschallung, dass heute Sonntag ist.
Doch auch abseits der Sand-Strand-Clubs bzw. High-Tech-Musikanlagen gibt es eine skurrile Besonderheit, die zeigt: Heute ist der Tag zum Ausruhen, zum Nichtstun, zum Spazierengehen. Meist sind es Gruppen von vier bis acht Inder, immer sind es Männer, und immer flanieren sie in langen, dunklen Hosen und langärmeligen Hemden. Sie zeigen sich und der übrigen Umwelt: Heute ruht die Arbeit, heute ziehen wir nicht unseren Blaumann an, sondern die Sonntagsklamotten. Schließlich heißen sie ja auch so, oder? Dann geht es entlang der Straße, vielleicht einen Berg hinauf, vielleicht runter ans Wasser, aber alles in gemächlichem Schritt. Schließlich ist Sonntag, und Schlendern ist Luxus.
5) Am Montag erscheinen viele nicht zur Arbeit.
Irgendwann im Laufe des späten Vormittags wacht die restliche Insel auf. Man hatte ja kein Frühstück (siehe Punkt 2) und braucht spätestens jetzt ein gescheites Mittagessen. Ein paar Fische finden sich noch im Kühlschrank, vorzugsweise Makrelen, die landen auf dem Grill. Und hey, da stehen ja auch noch die Lautsprecherboxen von der letzten Party (siehe Punkt 1). Also machen wir doch einfach da weiter, wo wir nach Punkt 3 aufgehört haben. Geschlafen haben wir genug, Essen geht besser mit Musik und genügend Bier und Rum ist auch noch da. „Kil pake! Nou oule danse! Räum das Geraffel weg! Wir wollen tanzen!“
Es ist wie auf dem alten, längst verblassten Bild in meiner Kücher: Ein Schwoof am Nachmittag, der bis in den Abend ausgedehnt wird, und natürlich noch einen Drink, und noch einen, und noch einen… Jetzt aber husch husch ins Bett. Und da bleiben wir dann auch am nächsten Morgen einfach liegen, egal ob Montag ist, egal ob der Boss wartet, egal ob es Lohn gibt oder nicht… Fragt man dann am Dienstag oder Mittwoch mal nach: „Sag, wie war Dein Sonntag?“ – dann kommt regelmäßig die Antwort: „Quiet“. Na denn, bis zur nächsten Samstagnacht!
Eigentlich war es nichts anderes als Fernweh und die Suche nach dem perfekten Inselidyll, was Heike Mallad auf die Seychellen brachte: 1998 verbrachte sie zum ersten Mal eine Woche auf den Trauminseln im Indischen Ozean.