Es gibt ein Gewächs auf dieser Welt, das wie kein zweites das Paradies und die Tropen verkörpert: die Cocos nucifera –die Kokosnusspalme. Doch sie ist weitaus mehr nur als ein idyllisches Klischee, das idealtypisch sanft gebogen und leicht schräg über schneeweißem Sand und türkisfarbenem Wasser steht und einen perfekten Schattenspender abgibt…
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… vorausgesetzt, man legt sich nicht direkt unter den Wipfel, aus dem jederzeit harte, schwere Nüsse auf den Kopf fallen können. Diese Warnung bitte wirklich ernst nehmen! Sonst kann die ‚“Kopfnuss“ wirklich größere gesundheitliche Schäden anrichten, bis hin zu Gehirnerschütterungen und Schädel-Hirntrauma.
Und dennoch – trotz dieser Gefahren für Leib und Leben gilt: Die Palme ist ein regelrechter Lebensbaum! Was dem Indianer einst sein Büffel, dem Eskimo sein Eisbär war, das ist dem Seychellois seine koko. Für uns Europäer scheint es zunächst eindeutig, dass im Zentrum dieser Nutzpflanze zunächst die Nussproduktion steht. Doch aufgepasst: Nuss ist nicht gleich Nuss. Genauso, wie sich eine Haselnuss von einer Wal- oder Erdnuss unterscheidet, so gibt es Trink- und Essnüsse, blaue, rötliche und gelbe obendrein.
Schon immer scheint es Kokosnüsse auf den Seychellen gegeben zu haben. Schon immer? Fest steht, dass die frühen, schriftlich überlieferten Zeugnisse von einem reichen Vorkommen der Cocos nucifera berichteten: Lazare Picault schreibt 1742 bei seiner ersten Seychellen-Reise:
„Nous avons descendu à terre armés à la coutume, n’avons trouvé personne dessus, ni apparence de jamais personne… On peut nommer [cette île] l’île d’Abondance. Beaucoup de cocotiers portant fruits sur le bord de la mer. Des tortues de terre et de mer… Du bois et de l’eau en abondance […]“ – Picault freut sich so sehr über die vielen Land- und Meeresschildkröten, über jede Menge Wald und (Süß)Wasser und haufenweise gut tragender Kokospalmen, dass er die Insel, die er später den Namen Mahé geben sollte, zunächst einmal „Insel des Überflusses“ taufte.
Kokospalmen zählen zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit. Ursprünglich aus Polynesien stammend, verbreiteten sie sich überall da, wo es schön warm war, am liebsten um den Äquatorgürtel herum. Sie sind wahre Überlebenskünstler – und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits schaffen sie es selbst, aus eigener Kraft heraus, tausende Kilometer auf dem Meer zu treiben, ohne dabei einzugehen, stattdessen aber immer noch keimfähig zu bleiben, andererseits helfen sie armen Kreaturen, die am Verdursten/Verhungern sind, beim erfolgreichen Meistern des Überlebenskampfes: Auf den alten Segelschiffen waren sie oftmals die einzige Nahrung, die nicht nur den Durst stillte und satt machte, sondern auch wie Medizin wirkte. Matrosen, die an Skorbut und extremem Vitaminmangel litten, konnten nicht selten nur dadurch überleben, dass sie ab und zu etwas weißes Kokosfleisch knabberten. Nicht nur wegen der Nährwerte, sondern auch weil es eine rechte Anstrengung, zugleich heilsame Massage für das darbende Zahnfleisch war, half es den Seemännern, das Innere der Kokosnuss zu zermalmen und dem massiven Zahnausfall vorzubeugen – eine Folge des Skorbut.
Während wir uns vor allem über die Nüsse – egal ob zum Essen oder zum Leertrinken – selbst freuen, war von jeher der Stamm als Holzlieferant für Häuser und Möbel beliebt, die Blätter dienten als Schindeln und Dachziegeln im Ganzen oder man verwendete Teile der Blätter zum Flechten von Hüten und Körben, die auf den Seychellen kapatya heißen. Die stabilen Mittelrippen der Blätter sind bestens geeignet, um Arbeitswerkzeuge daraus herzustellen: Besen (auf den Seychellen als balye zig bekannt) oder Fischreusen (lakaz pwazon). Kein Wunder, dass richtige „Nutzwälder“ aus Palmen auf den Seychellen entstanden. Auf jeder noch so kleinen Insel– selbst auf den entlegensten kleinen Eilanden, den zil elwannyen – wurde eine Kokosplantage im 18./19. Jahrhundert errichtet. Das Leben dort war kein Zuckerschlecken, oftmals waren die Arbeiter dorthin abkommandiert worden, wie z.B. Wendy Day Weevers-Charter in ihrem Buch „Island Home“ über ihre eigenen Erfahrungen auf Remire und Astove beschreibt. Aber die Plackerei musste sein, denn es gab eine weltweit boomende Nachfrage nach Produkten aus Kopra, dem getrockneten Inneren der Nüsse. Das wurde dann getrocknet und kam dann zur Weiterverarbeitung (z.B. für Speisefette, Brennstoffe, Kosmetikprodukte), die z.B. wie auf La Digue mit einem Ochsen betrieben wurde.
So gebändigt und gezähmt war nicht nur der Ochse, sondern auch die Nuss und ihre Palme und sie war für viele Jahrzehnte eine getreue Gefährtin, die den Insulanern ein gesichertes Ein- und Auskommen garantierte.
Am schönsten aber ist die wild wachsende Schwester – sie reckt und streckt sich grauholzig dem Sonnenlicht entgegen und erfreut die Touristen am Strand mit fotogenen Stammwuchsformationen. Bis zu dreißig, vierzig Meter werden die Kokospalmen hoch und bilden mit ihren tiefgrünen Blatthorsten malerische Wälder, wie z.B. im äußersten Südosten Mahés zwischen der Anse Forbans und Pointe Capucins.
Genauso anmutig sind auch die alten, aufgelassenen und mittlerweile mehr oder weniger verwilderten Kokosnussplantagen, die in früheren Zeiten der ganze Reichtum der Seychellen waren. Längst werden die Plantagen aber nicht mehr bestellt. Der Weltmarkt für Kopra ist seit mehr als einer Generation zusammengebrochen. Das weiße Gold der Inseln befindet sich aber noch immer im Innern der Nüsse.
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Eine Bitte, die von Herzen kommt!
Bitte nicht auf die Palmen klettern. Sie haben zwar ein sehr cleveres und ausgeklügeltes Wurzelsystem, das aber auch sehr fragile ist, insbesondere im Sand. – Wenn sich eine Palme dermaßen durchbiegt, liegt es vor allem daran, das sie oftmals an einer Vegetationsgrenze wächtst, normalerweise beginnt hinter ihnen das Dunkel aus Dickicht,Wald, Besiedelung, Granitfelsen – all das bietet ihr zu wenig Licht. Sie muss aber dringend Sonnenlicht und reckt sich weiter ins Helle. Es ist aber ein wahrer „Kraftakt“ für sie, sich festzuhalten.
So klammern sich Kokospalmen mit ihren Wurzeln in den sehr lockeren, losen Strandsand, der durch die Brandung oder heftigen Tropenregen kräftig durchgespült wird. Erosion ist die Folge. Als Folge davon werden die Wurzeln mehr und mehr freigelegt. Irgendwann verliert die Palme den festen, sicheren Halt und neigt ihr Haupt zwangsweise weiter nach unten.
Wer noch lange solch wundervoll gebogene Palmen als den Inbegriff der Seychellen bewundern möchte, gehe bitte mit Respekt mit ihr um. An der Anse Source d’Argent (La Digue) hatten wir früher viele solcher Prachtexemplare – sind jetzt alle abgestorben. Im Zweifel geben ihr Wasserknappheit und „makabe“ (Palmkäfer, der sich von innen heraus durch das Herz frisst) den Rest…
Eigentlich war es nichts anderes als Fernweh und die Suche nach dem perfekten Inselidyll, was Heike Mallad auf die Seychellen brachte: 1998 verbrachte sie zum ersten Mal eine Woche auf den Trauminseln im Indischen Ozean.