Bird Island – dem Himmel so nah…

10 Oktober 2016

Wer sich entschließt, ein Stückchen dieser Welt kennen zu lernen, was so schön ist, dass es eigentlich nicht von dieser Welt sein kann, der sollte nach Bird Island reisen. Die nordwestlichste der Seychellen-Inseln liegt eine halbe Flugstunde von Mahé entfernt und ist doch eine Ewigkeit vom Alltag entfernt.

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Eine kleine Lodge schmiegt sich kurz hinter dem Wasser am weißen Sand entlang; es sind luftige Häuschen, die sich zwischen Palmen und Casuarinen – den filigranen Strandzedern – aneinander kuscheln, gerade mal 25 Bungalows, und das ist gut so.

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Denn Bird Island ist klein, noch nicht mal eine Quadratkilometer groß,- 1700 m lang und 700 m an der größten Stelle breit. Und obwohl es nur eine pfannkuchenplatte Anhäufung aus Korallen und Sand ist und ein Staubkorn im Universum, ganz winzig und nichtig – es ist  doch eine ganz eigene Welt, vor allem zwischen Mai und Oktober; denn dann ist das Inselchen das Zuhause für über eine Million Seeschwalben, die hier ihre Nistplätze haben. Damit nicht genug: Die Riesenschildkröten fühlen sich hier pudelwohl, suchen sich schattige Plätze unter den Palmen und schieben sich langsam durch den sandigen Boden in den Schutz der Bungalows, wo sie auch gern mal stundenlang verharren. Esmeralda – übrigens keine SIE, sondern ein ER – ist hier auch daheim; das älteste Exemplar auf dieser Erde. Über ihr/sein Alter ist man sich aber uneins: Einige Quellen behaupten, sie/er sei 1771 geboren und 400 kg schwer. Anderen Angaben zufolge (z.B. laut Süddeutscher Zeitung) soll sie/er „nur“ ca. 300 Kilo schwer sein und zwischen 150 und 180 Jahre sein. Kann uns eigentlich egal sein, denn er/sie ist schlicht und ergreifend ein bewundernswertes Prachtexemplar, ein Zeitzeuge der Urzeit und ein lebendes Mahnmal, dass es auch langsam geht.

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Neben Esmeralda krabbeln noch andere Schildkröten über die Insel: Da gibt es kleine flinke, mit gelbgrünem Panzer – das sind Schildkröten aus Madagaskar, von denen eine auf den Namen Jeremy hört. Und dann schieben sich behäbig noch ein paar Artgenossen von Esmeralda über die Insel, darunter der halbblinde Raffael, der einmal meinte, meine türkisfarbenen Shorts seien der perfekte Nachtisch. Er knabberte sie lustvoll an und es gelang mir nur mit Mühe, sie ihm wieder zu entreißen. Achtung: Schildkröten haben verdammt scharfe Zähne! Wer sie füttern will, z.B. mit Bananenresten oder den weißen Früchten der blutroten Scharlachkordie, möge dies bitte mit Respekt tun…

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Wer also auf Bird weilt, teilt seine Unterkunft mit den Tieren. Und in der Brut-Saison kann es auch schon mal richtig laut werden, wenn die Seeschwalben zetern und schreien, rufen und weinen. In der Nacht geht es übrigens weiter, und nicht selten höre ich die Klagen von Touristen, die Naturgeräusche in dieser Lautstärke nicht mehr gewohnt sind und sich mit Oropax vor den krakeelenden Vögeln zu schützen versuchen. Für mich jedoch ist es die schönste „Lärmbelästigung“ der Welt, vor allem in den Abendstunden, wenn die Sonne im Meer versinkt.

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Wenn sich dann noch das tiefe Dunkel über die Insel legt, wird alles noch intensiver: Unter einem grandiosen Sternenhimmel, der die Insel in sphärisches Licht taucht, wird das Rufen der Vögel zu einer seltsam klagenden Sinfonie, die die ganze Nacht über andauert….

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Kommt ein kurzer Schauer, dann offenbaren warmer, regendurchtränkter Sand, nasse Blätter und Blüten einen sinnlichen Duft, der sich mit dem strengen Aroma feuchter Federn, Nester und anderer Hinterlassenschaften vereint.

Danach versinkt die Insel wieder in einen friedlichen Schlaf, der erst mit dem Sonnenaufgang vorüber ist.