Es gibt ein paar Flecken dieser Erde, mit denen es der Herrgott offenbar ganz besonders gut gemeint hat. Bird Island gehört definitiv dazu. Es ist nicht nur dieser Farbenrausch, der mit voller Wucht den Betrachter trifft und ihn immer wieder sprachlos werden lässt.
Foto: (C) Rainer Bauerdick – http://rainerbauerdick.de
Es ist vor allem dieses friedvolle Miteinander von Pflanzen und Tieren, das mich ganz klein und demütig werden lässt.
Die Vögel: Wie kann es sein, dass mehr als eine Million Seeschwalben auf einem winzigen Areal von drei, vier Fußballfelder nicht nur Platz, sondern auch die Möglichkeit zum Brüten und zur Aufzucht ihrer Jungen finden? Und: Wie kann es sein, dass sie von einem unsichtbaren Magneten Jahr für Jahr immer wieder zur selben Stelle finden – ohne den ganzen neumodischen Kram wie GPS und Co.
Und dann die Feenseeschwalben – weiß und wunderschön: Wenn sie auf Partnersuche gehen, dann tun sie es mit Bedacht und vielleicht sogar mit Liebe. Denn mit ihrem Partner bleiben sie ein Leben lang zusammen. Meist sieht man sie auch zu zweit gern einmal turteln, entweder auf einem Zweig oder bei waghalsigen Manövern in der Luft, die eine Meisterleistung im Synchronfliegen darstellen. Kommt die Zeit der Brutpflege, dann legt das Weibchen gekonnt ein nur einziges Ei auf einen Ast. Kein Nestbau, keine schützenden Zweige – nix! Welch Akrobatik! Welch Kunst, so hocken zu bleiben, dass das Ei nicht herunterfällt.
Genauso weiß, aber noch deutlich exotischer sind die Tropik-Vögel. Anmutige Wesen mit langen Federn, der ihnen auch zu ihrem kreolischen Namen verholfen hat: payanke – aus dem Französischen paille en queue – den Strohhalm im Schwanz. Mit ihren spitzen Schreien schrauben sie sich ins makellose Himmelsblau, jubilieren den Wolken zu und stürzen sich wieder hinab. Ganz ruhig verhalten sie sich dann aber, wenn sie brüten.
Am Fuße riesiger Strandzedern finden sie Zuflucht vor Sonne und Wind, und Robby – der Wildhüter von Bird Island – hat ihnen mit ausgebleichten Korallengestein, Palmbast und Treibholz kleine „Hüttchen“ gebaut, die sie dankend annehmen. Dort fühlt sich auch das kleine Küken geborgen, das sich darin wie ein Wattebausch an die Mutter kuschelt.
In den nächsten Tagen und Wochen kommt die Zeit, wo das kleine Federbällchen mehr und mehr Gewicht und Gestalt annimmt, bis es schließlich ein gesprenkeltes Federkleid trägt, das unmissverständlich zu verstehen gibt: Die Zeit ist gekommen, um flügge zu werden.
Hoch oben über den Wipfeln, weit in den Wolken ein anderes Spektakel: Hunderte von Fregatt-Vögeln kreisen im Himmel, nutzen die Thermik und ihre Flügel mit einer Spannweite von 2,30 Metern, um sich von den Luftströmen treiben zu lassen. Fast faul hängen sie im Blau, kein wildes Flattern, ein gelegentliches Trimmen mit ihren gegabelten Schwanzfedern, ansonsten majestätisches Gleiten.
Bild: (C) Rainer Bauerdick http://rainerbauerdick.de
Am Boden derweil heftiges Getrippel und Getrappel: Einige Steinwälzer, die an Bachstelzen erinnern, rennen aufgeregt hin und her. Sie haben eine lange Reise hinter sich, sind der Kälte Sibiriens entflohen und freuen sich über die Sommerfrische auf Bird. Ihrem Namen machen sie alle Ehre, denn um Nahrung zu finden, drehen und wenden sie Kiesel, Felsbröckchen, Steine, um darunter die besten Leckerbissen ausfindig zu machen.
Deutlich träger sind die Noddy-Seeschwalben. Sie haben sich doch tatsächlich die größte Mittagshitze ausgesucht und hocken dort mitten im gleißenden Licht, ohne auch nur einen Hauch von Schatten. Warum nur? Die nehmen doch kein Sonnenbad, oder etwa doch?
Tatsächlich – so etwas Ähnliches machen die braunschwarz gefiederten Gesellen wirklich, denn durch die Hitze wollen sie den Parasiten Herr werden. Ein bisschen Feder-Gezupfe hier, ein bisschen Flügelwackeln da, und schon ist die Vogel-Toilette beendet. Dann ab in die Bäume, wo flugs am Nest weitergebastelt wird. Das besteht aus zwei Baumaterialien, nämlich trockene Blätter und Vogelkot. Halt – sagte ich trockene Blätter? Das stimmt nicht ganz, denn wären die Blätter tatsächlich ganz trocken, würde die Konstruktion in Verbindung mit dem Vogel-Kaka nicht halten. Ledrig müssen die Blätter sein, biegsam und keineswegs bröselig, nur so entsteht der perfekte, stabile Nistplatz, der der extremen Witterung standhält.
Um die Ecke ist großer Kravall in einer Hecke: Dort zanken sich zwei Moorhühner, vielleicht streiten sie sich um ein Stückchen Toast, das ich dort gestern verfüttert habe. Ihre Schreie gleichen dem Gequietsche von einem halben Dutzend Badeentchen. Und jedes Mal erschrecke ich, so laut sind sie. Ich habe die Moorhühner „Penlac“ genannt – der Firmenname eines Unternehmens auf den Seychellen, das Farben und Lacke herstellt. Genauso bunt ist das Moorhuhn: grellgelbe Beinchen, feuerroter Schnabel, schwarzweißes Federkleid – die ganze Palette einer Farben-Firma eben!
Früher – ja, ich gebe es zu – habe ich mich überhaupt nicht für Vögel interessiert; jetzt, hier auf Bird, kann ich ihnen stundenlang zugucken. Ich teile meinen Bungalow mit ihnen, vor allem mit den kleinen ständig gurrenden Sperbertäubchen, die ganz genau wissen, wann ich vom Frühstück zurückkomme und ihnen etwas mitbringe.
Dann aber ist es endlich Zeit für mich, den Vögeln ihr Revier zu überlassen. Nur ein paar Schritte trennen mich von meinem Bungalow zum Meer.
Eigentlich war es nichts anderes als Fernweh und die Suche nach dem perfekten Inselidyll, was Heike Mallad auf die Seychellen brachte: 1998 verbrachte sie zum ersten Mal eine Woche auf den Trauminseln im Indischen Ozean.