Die Seychellen bieten mehr als Meer, nämlich eine beeindruckende tropische Bergwelt. Rund um den Morne Seychellois, höchster Berg der Seychellen, gruppieren sich grandiose Granitformationen, die gewaltig in die Tiefe stürzen. Eine davon ist die Copolia.
Von Victoria sind es ungefähr nur 15 min mit dem Auto zum Startpunkt einer kleinen Bergtour dorthin; aber auch die blauen Tata Busse quälen sich die steile Sans Souci Straße hinauf und halten direkt am Beginn des grüngelb ausgeschilderten Copolia Trail. Zwei Kilometer liegen nun bis zum Gipfel vor mir, eigentlich ein Klacks… denke ich.
Doch gleich der Beginn des Weges hat es in sich. Steil stürzt er in die Tiefe und ich bin dankbar, dass ich mir einen der Holzstöcke geschnappt habe. Wildhüter und Polizisten, die hier oben ab und zu Dienst schieben, haben sie für Wanderer zurecht gemacht und griffbereit an einen großen Mahagonibaum angelehnt.
In den Hang haben sich natürliche Stufen eingegraben, mal. aus ausgewaschenen Wurzeln, mal aus festgetrampelter dunkelroter Erde, ab und zu befestigt mit Holz und Brettern. Hoppla, fast wäre ich über eine Stahlspitze gestolpert, die den Untergrund wohl ebenfalls bändigen sollte.
Während sich über mir die mächtigen Kronen der Albizia (Schirmakazien) wölben, umspülen murmelnde Bachläufe mit glasklarem Wasser meine Füße. Als es heftiger gurgelt, hilft eine kleine Bretterbrücke.
Eigentlich hatte ich mit Moskitos gerechnet, doch Fehlanzeige. Kein lästiges Schwirren, dafür aber lautes Geflatter und Gezeter der Bulbuls, schwarze Vögel mit lustigem, unfrisierten Schopf. Dann geht es sehr steil nach oben. Von einem richtigen Pfad kann kaum noch die Rede sein, schon gar nicht von einem gut ausgebauten Wanderweg. Die riesigen Granitfelsen scheinen zunächst unbezwingbar, doch immer wieder tut sich ein natürlicher Tritt nach dem nächsten auf. Kleine Orientierungshilfen, nämlich gelbe waagrechte Striche, sorgen dafür, dass man “in der Spur bleibt“. Ein paar mehr Markierungen wären nicht schlecht…
Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde liegt das Steilste hinter mir. Die Felsen werden weniger, der Schatten auch. Mehr Wärme und Sonnenlicht dringen durch die latanier feuille, endemische Palmen mit harten, kompakten Blättern. Sie spenden aber immer noch ausreichend Schatten. Nicht auszudenken, wenn ich hier in der prallen Sonne wandern würde. Heiß und schwül ist es nämlich so schon genug. Und den ersten Liter Wasser habe ich längst ausgesüffelt.
Nun führt der Pfad längsseits des Berges, es läuft sich bequemer. Plötzlich ein kurzes, hohes tiiiip. Und dann noch mal: tiiiip! Das ist der Lockruf des kleinsten Frosches der Welt, der sich hier im feuchten Untergrund versteckt. Ich habe kein Glück, heute bleiben die Winzlinge unter großen verrotteten Blättern verborgen. Stattdessen bekomme ich Besuch von einem kleinen scheuen Reptil: der schwarzen Holzschlange
Meinen Weg säumen viele endemische Bäume (also Bäume, die nur hier auf den Seychellen, und sonst nirgendwo auf der Welt wachsen). Es sind unscheinbare Gehölze, die beinahe untergehen zwischen wuchtigen Zimtbäumen, deren Duft mich betört. Auch Nelkengeruch kitzelt meine Nase. Der fruchtbare Waldboden ist überwuchert mit gazon, einem zarten Gras und coco maron, einem Gras, das Blätter hat, die wie Palmwedeln in Miniatur aussehen. Zwischen diesem kuscheligen Grün spitzt eine unscheinbare Blüte hervor: eine seltene Orchidee.
Dann geht es nochmals richtig ins Eingemachte! Bevor der Gipfel naht, kommt eine nicht allzu hohe, aber senkrechte Steilwand. Wie jetzt, hier soll ich hoch? Da bemerke ich eine stabile Leiter, gerade mal 10 Sprossen oder so. Es reicht genau, um dann auf einem Granitplateau zu stehen, dass zum Niederknien schön ist: Wundervoll geformte Felsen, eingerahmt von Hecken aus fleischfressenden Kannenpflanzen.
Ganz still ist es hier oben in dieser erhabenen Bergwelt. Die Copolia reckt ihr kahles Haupt immerhin mit 497 m in die Höhe. Wende ich mich nach links, bin ich fast auf Augenhöhe mit dem Morne Seychellois, obwohl der mit seinen 905 m fast nochmals doppelt so hoch ist wie ich.
Der Ausblick nimmt mir fast den Atem: In meinen Träumen stehe ich genau auf solchen Anhöhen, breite die Arme aus und kann fliegen. Unter mir liegt Victoria mit dem Hafen und einem Meer, das sich hinten am Horizont mit dem Himmel vereint. Ich freue mich wie ein kleines Kind, lege mich bäuchlings auf die warmen Steine, schnuppere diesen sengheißen Duft von Fels und Holz und Tropenglück, dann drehe ich mich auf den Rücken und schaue ins Blau. Was für ein Geschenk! Ein bisschen traurig bin ich, dass ich mich nicht ganz an den Rand des Felsplateaus traue.
Da lauert definitiv der Abgrund. Achtung, lebensgefährliche Tiefen, Absturzgefahr! Aber eine kleine Rast auf dem Felsen liegt allemal drin, um die ganze Schönheit der Natur zu begreifen.
Warum eigentlich muss irgendein depperter Tourist genau da vorn seine blöde, abgepellte Orangenschale neben einer leeren Trinkflasche deponieren? Und warum darf ausgerechnet der Scheich Kalifa, Chef der Vereinigten Arabischen Emirate hier ganz legal gegen jegliches Gesetz verstoßen und sich ein Hochhaus in die Berge stellen? Um ein Haar hätte man es ihm erlaubt, hier auch noch eine Seilbahn oder Gondel oder sonst welchen Nonsens zu erbauen. Aus guten Grund werde ich hier an dieser Stelle kein Foto von dieser schrecklichen Bausünde einstellen. Es reicht schon, wenn sich unter mir das Luxusdomizil der Schönen und Reichen, die künstliche Insel Eden Island , erstreckt…
Nachdenklich trete ich den Rückweg an. Wie immer ist der deutlich kürzer als der Hinweg und so lande ich noch nicht mal nach einer Stunde wieder am Ausgangspunkt, an der Straße von Sans Souci. Vor mir eine junge Familie, die offenbar deutlich beschwingter und schnellerr als ich den Wanderweg absolviert hat, und das mit einem vielleicht gerade mal 5jährigen Kleinkind…
Deswegen mein Rat: Für diese Tour empfiehlt es sich für weniger Geübte, einen lizenzierten Bergführer zu buchen (z.B. Belle’s Tour Guiding, terence.belle@yahoo.com, Tel. 00248/2 722 492), nicht nur wegen der Sicherheit, sondern auch wegen zahlreicher Zusatzinfos über Fauna und Flora.
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Für die Wanderung empfiehlt sich ein Rucksack mit ausreichend Getränk, evtl. einem kleinen Snack und für den Gipfel Sonnenschutz. Äußerst empfehlenswert ist ein Wanderstock und sehr gutes, nicht zu altes Schuhwerk. Meines war wohl schon zu lange den Widrigkeiten des tropischen Klimas mit hoher Luftfeuchtigkeit bzw. Salzgehalt der Luft und den aggressiven UV-Strahlen ausgesetzt. Es löste sich bei der Wanderung einfach auf…
Eigentlich war es nichts anderes als Fernweh und die Suche nach dem perfekten Inselidyll, was Heike Mallad auf die Seychellen brachte: 1998 verbrachte sie zum ersten Mal eine Woche auf den Trauminseln im Indischen Ozean.