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Seychellische Nächte: Von Hunden und Hühnern und von Fröschen

26. Oktober 2016

Der Neumond nähert sich und die letzte Nacht war bereits rabenschwarz, abgesehen von den glitzernden Sternen. Doch wer denkt: ganz dunkel bedeutet ganz still, der hat noch nie in einem Tropenhaus im Süden Mahés geschlafen. Auch wenn es Stunden gibt, in denen es mucksmäuschenstill ist – das ist definitiv die Ausnahme.

Zunächst die Hunde: Mit einsetzender Dunkelheit starten sie ein unglaubliches Jaul- und Kläff-Konzert. Meist beginnt irgendeiner im hintersten Winkel des Tales, dann antworten die anderen und schließlich stimmt dann der Rest mit ein. Es sind in der Regel zunächst einmal keine freilaufenden Tiere. Jeder seychellische Haushalt hat mindestens drei bis fünf von ihnen, die manchmal ein trauriges Dasein in viel zu engen Zwingern fristen. Ihre Art der Freiheit ist dann Bellen bis zum Abwinken oder zumindest, bis endlich Futter kommt. Streunende Hunde gibt es natürlich auch, aber denen begegnet man meist am Strand, wo sie ein Paradebeispiel für tropische Lebensart – Nichtstun, Streicheleinheiten und Dösen im weichen Sand – abgeben.

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Nachts aber erwachen ihre Lebensgeister. Bei Vollmond gebärden sie sich wie ein wild gewordenes Rudel jaulender Wölfe, die ein schauriges Konzert abliefern. In einer ganz normalen Nacht wie der vergangenen scheinen sie sich angeregt von Haus zu Haus Nachrichten zuzubellen, wütend zu diskutieren oder Hunde-Witze zu erzählen. – Nach fast 20 Jahren Seychellen weiß ich noch immer nicht, wie es den Einheimischen gelingt, bei diesem Lärm zu schlafen. Tropenhäuser sind luftige offene Behausungen, und man kann nicht mal so eben ein Fenster aus Doppelglas schließen, um Geräusche einfach auszusperren. – Auf die Spitze trieb es heute Nacht ein Hund, der im Rhythmus von 10 Sekunden ein „Wuff“ von sich gab, dann wieder und wieder. Dann Pause und das Ganze eine Oktave höher: „Wüff“ – „wüff“ – „wüüüüffff“. Danach dachte ich, es kehrt Ruhe ein. Im Gegenteil: Über Stunden lang dehnte sich diese „Sprechübung“ aus, leichte Varianten mit inbegriffen: „Woff“ – dann „wöff“ – „wöff“ –  „wöööffff“ und irgendwann: „Waff“ – „wäff“ – „wäff“ – „wäääffff“. Ich wartete förmlich auf den nächsten Kläffer…

Als ich schließlich vor Erschöpfung dann doch einnickte, begannen mitten in der Nacht die Hähne zu krähen. Komisch, warum warten sie nicht bis zum Morgengrauen? Nein, sie verkündeten – ihre Hennen und Küken im Schlepp – das Ende der Geisterstunde mit heftigem Gegacker und Gegluckse. Und da die meisten Einheimischen ihre Grundstücke ebenso wenig eingezäunt haben wie wir das unsrige, kommt das Federvieh direkt bis vor unser Schlafzimmer und wünscht uns für den Rest der Nacht einen erholsamen Schlaf. Wenn sie wenigstens ein paar Eier unter den Hibiskus-Busch legen würden…

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Wenn dann nach kurzer Ruhepause der ersten Frosch quakt, dann weiß ich: Es geht auf vier Uhr morgens zu. Normalerweise herrscht in den Monaten der Trockenzeit Funkstille. Sobald aber auch nur ein winziger Tropfen Wasser zwischen die Felsspalten gelangt (und sei es aus einem Putzeimer oder Gartenschlauch), laufen die Tierchen zur Höchstform auf. Ein ohrenbetäubendes Froschkonzert beginnt und dauert bis zum herannahenden ersten Tageslicht, das meist gegen halb sechs über die Insel kriecht. Aus lauter Freude stimmen dann sämtliche Vögel mit ein, insbesondere die Kolibris mit ihrem schrillen Gefiepe. Die Hühner machen aus Sympathie gleich nochmal mit; und ab und zu meckern unten im Tal die Ziegen. Ich komme mir vor, als würde ich auf einer riesigen Farm leben. Besser kann kein Wecker funktionieren. Übrigens, nochmals kurz zurück zu den Vögeln: Wer denkt, dass nachts die Vögel still sind – Irrtum. Ich habe zwei Nachtvögel ausgemacht, die ich noch nie gesehen, geschweige denn identifiziert habe. Der Einfachheit halber habe ich sie nach ihren seltsamen Lauten benannt: der Kastagnetten-Vogel ahmt täuschend echt das Geklapper spanischer Rhythmusinstrumente nach und der Handy-Vogel tut so, als würden bei ihm pausenlos SMS-Benachrichtigungen eingehen.

Bei diesem ganzen Natur-Konzert gibt es noch eine einzige Steigerung, und zwar immer dann, wenn der Nachbar Geburtstag, Namenstag  oder Kommunion feiert oder wenn das übliche Wochenend-Gelage stattfindet, bei dem auch schon mal 12 Stunden Nonstop-Musik läuft; und damit meine ich nicht wohlklingende Töne in gemäßigter Lautstärke…

Warum ich das alles schreibe? Wer sich in einer kleinen Privat-Unterkunft, einem Guesthouse oder Pension einmietet, muss damit rechnen, dass auch für ihn gilt: schlaflos in den Seychellen. Also: Wer daran gewöhnt ist, Ohrenstöpsel zu tragen, der sollte sich unbedingt ein Paar (oder mehrere davon) mit ins Gepäck stecken – sonst nämlich ist die Gefahr groß, den Schlafmangel der Nacht mit zu vielen Nickerchen am Tage zu kompensieren. Und da würde man doch tatsächlich Licht und Schatten, Laut und Leise und damit die Kontraste, die Schönheit der Inseln ausmachen, doch glatt verpassen…

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