Wenn die Nacht erwacht: der „bazar labrin“ am Beau Vallon

10 Oktober 2017

Nie werde ich vergessen, wie ich in meiner Jugend diese ganz besonderen Abende herbei sehnte: Sonnenuntergang, ein Lagerfeuer, ein Rost über den offenen Flammen, der betörende Duft von gegrilltem Fleisch und gebratenem Gemüse und diese unglaubliche Stimmung – eine Mischung aus Frieden, Freiheit und Feierabend. Ich wusste schon damals: Feierabend, also Feier-Abend – das ist MEIN Wort, das ist mein Ding!

Während meines ersten großen Auslandsaufenthaltes, den ich während der Sommersemesterferien 1986 in Singapur verbrachte, erlebte ich eine Steigerung dieser einzigartigen Atmosphäre: die Nachtmärkte unter freiem Himmel: Ein Food-Stand reiht sich an den nächsten, nie gekannte Aromen kitzeln die Nase –  von scharfen Gewürzen, frisch gepresstem Zuckerrohrsaft und beißendem Rauch aus den Garküchen, die über offenem Feuer ihre Saté-Spieße und Fischfilets brutzelten.

Seither ziehen mich Nachtmärkte magisch an. Nachtmärkte – die nackte Freude! Und so ist es kein Wunder, dass ich endlich einmal den langen Weg aus Mahés Süden in den Norden auf mich genommen habe- zum „bazar labrin“.

Als ich ankomme, ist es kurz nach halb sechs – ein perfekter Abend mit lauer Luft und hinreißendem Licht.

Die Sonne leckt sich gerade ihre Finger am gleißenden Meer. Rund um mich hektisches Treiben, die ersten Streedfood-Trucks öffnen ihre Läden. Naja, Trucks – also, größere Laster sind es nicht, aber die Minivans und umgebauten Transporter reichen aus, um Snacks, Burgers und einfache Take-Away-Gerichte zu servieren. Irgendein „kari“ – ein Curry-Schöpfgericht – wird sich schon finden, was hier feilgeboten werden kann. Gekocht wird oft in der Familie zuhause, dann in großen Töpfen über die Insel geschaukelt und in kleinen Schachteln feilgeboten.

Ein Regenschauer hatte zuvor den Norden Mahés reingewaschen. Und auch die kleinen nicht überdachten Sitzecken, die aus Baumstümpfen und schetterigen Plastikstühlen bestehen. Im aufgehenden Vollmond glänzen sie wie frisch poliertes Silber. Doch ganz so einladend sind sie dann doch wieder nicht, und so wandern die ersten Take-Away-Gerichte mit ihren Besitzern einfach an den Strand, wo ein schnelles, sandiges „sit in“ entsteht.

Ich bummele über die Promenade, die sich zwischen dem Restaurant „La Plage“ und dem Hotel „Coral Strand“ befindet. Dazwischen öffnet sich ein nicht sehr großes, quadratisches Gelände  – unbebaut, und das am Beau Vallon, der Touristenküste schlechthin! Doch dieser kleine Fleck ist so etwas wie der Widerstand gegen den großen touristischen Kommerz. Denn auf diesem Privatgrundstück hat vor ein, zwei Jahren erstmals irgend ein cleverer Seychellois selbstgemachtes Essen angeboten, der nächste kam flugs dazu, kletterte auf Palmen, organisierte Nüsse, schlug sie auf, dekorierte sie mit Frangipani-Blüten und reichte sie mit Strohhalm: die Kokosnuss – perfekter Trinkgenuss. Es kamen immer mehr und sie kamen immer mittwochs. Und weil das Ganze in der Abenddämmerung begann, sprach sich schnell herum, dass hier ein „bazar labrin“ ist – ein Bazar in der Dämmerung, so die Bedeutung des französischen Worts „la brune“.

Nachdem ich ein paar Schritte geschlendert bin, lockt mich ein Duft – zum Niederknien! Frisch gebratener Fisch, aufgespießt auf die starken, mittleren Blattrippen großer Palmwedel. Offenes Feuer, aromatische Rauchschwaden, dazu Musik und wirres Licht, von Neonröhren, bunt blinkenden LED-Bändern und Autoscheinwerfern. Den „pwason griye“ – oder „pwason boukanenn“, wie man früher den gegrillten Fisch nannte… ich muss ihn unbedingt probieren. Doch ich hätte gern was zum Trinken dazu. Getränkestände, Bierbuden? Fehlanzeige! Im Dunkeln verkauft einer aus seinem Kofferraum ein bisschen Rum und ein bisschen „kalou“ – selbstgezapften Palmwein. Doch da sehe ich plötzlich eine offene Heckklappe, aus der nicht nur Seybrew-Flaschen herausschauen, sondern auch riesige Paulaner-Bierdosen. „Kommt doch rüber“, ruft uns Micheal Thomas zu, ein Seychellois, der nicht nur wegen der Liebe perfekt deutsch sprechen gelernt hat, sondern auch das Oktoberfest liebt und es hier auf der Insel feiert! So schnell kann ich gar nicht schauen, habe ich ein kaltes Bier in der Hand!

Die Nacht gesellt sich mit ihrem dunklen Kleid zu uns, der Vollmond steht mittlerweile hoch und übergießt alles mit seinem irrealen Licht. Wie Derwische tanzen die jungen Streedfood-Chefs um ihre Grills, preisen neben dem Fisch auch Hühnchen oder ganze Maiskolben an, dazu kreolische Take-Away-Klassiker wie „kari koko“, Gemüse-Chutneys aus Papaya und Golden Apple, Kürbis und Linsen. Und natürlich schleichen sich auch Fast-Food-Renner wie Hotdogs, Pommes und Pizza ein. Doch selbst die schmecken hier mit einer frisch aufgeschlagenen Kokosnuss in der Hand den Füßen im Sand nach mehr und Meer…

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Ort: Mahé (Norden), Beau Vallon – Strandabschnitt zwischen Coral Strand und Restaurant La Plage, in unmittelbarer Nähe des Savoy-Hotels, direkt an der Uferpromenade und dem dahinter liegenden Freigelände.

Wann: jeden Mittwoch von ca. 17.30 Uhr bis ca. 21 Uhr